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Atomkraft weltweit am Aussterben
Atomkraft ist zu teuer, liefert zu langsam und kommt zu spät. Das ist das Fazit der hochkarätigen Experten aus Tschechien und den Niederlanden auf der 11. Temelin-Konferenz, die diesmal am vergangenen Samstag Online stattfand. Bei einer Verdopplung der atomaren Kapazität weltweit wären das in 2050 nur weniger als 4% Treibhausgasverringerung. Das heißt mehr als 30 neue Reaktoren müssten jährlich ans Netz gehen - von jetzt bis 2050!
Wunsiedel, Budweis, Amsterdam, Bayreuth, Weiden. 31.10.2020.
"Die Hochrisikotechnologie Atomkraft ist weltweit ein aussterbendes Gewerbe" sagt Brigitte Artmann, die Veranstalterin der 11.Temelin Konferenz. Sie ist die Sprecherin der BI STOPPT TEMELIN und der Grünen im Fichtelgebirge. „Unsere Referenten belegen das.“
Der erste Referent, Dipl. Ing. Dalibor Stráský aus Tschechien, studierte Kerntechnik an der Technischen Universität in Prag. Er ist der Anti-Atom-Beauftragte des Landes Oberösterreich.
Dalibor Stráský sagte „Die tschechische Politik nutzt die Ablenkung der Aufmerksamkeit zur Coronakrise aus und versucht die Umsetzung der wirtschaftlich völlig unrealistischen Pläne für den weiteren Ausbau der Kernkraft in Tschechien durchzuboxen. Dies auch für den Preis der Verletzung des europäischen Rechts.“
Er bezog sich auf Nachfrage aus dem Publikum hier auch auf die Endlagersuche, die in Tschechien nicht durch Gesetze abgedeckt ist. Lediglich die Endlagersuchbehörde SURAO selbst ist im Gesetz verankert, sagte der Referent. Er bemängelte deshalb, dass der mögliche Endlagerstandort am Kernkraftwerk Temelin niemals der durch Europarecht vorgeschriebenen grenzübergreifenden Strategischen Umweltprüfung unterzogen worden ist. Tschechien hat derzeit noch vier Standorte in der Auswahl, einen in der Nähe von Pilsen an der bayerischen Grenze, einen am AKW Temelin und zwei in der Nähe der österreichischen Grenze bei Brünn.
Zu den technischen Schwierigkeiten der tschechischen Atomkraftwerke zählte er unter anderem die vibrierenden Turbinen in Temelin, diverse Schnellabschaltungen und dass man Block 2 des Kernkraftwerks Dukovany monatelang still stehen lassen musste, weil man ihn auch nach mehrfachen Versuchen einfach nicht mehr ins Laufen bekommen konnte. Dennoch haben alle tschechischen Atomreaktoren Laufzeitverlängerung bekommen.
Unter den Teilnehmern war auch Hilde Lindner-Hausner von der BI WAA NAA in der Oberpfalz. Sie war entsetzt über die unbefristete Betriebsgenehmigung für den Reaktorblock Temelin 1. Wegen einer defekten Schweißnaht wird er seit Jahren als Risiko gesehen.
Der zweite Referent, Dipl. Ing. Jan Haverkamp aus den Niederlanden, ist Kernenergieexperte bei Greenpeace und WISE. Er lebte lange in Tschechien und Polen.
"Atomenergie wird in Europa überall wieder heiß diskutiert, und die Diskussion wird angefeuert durch Fehlinformationen und populistische Statements. Die Realität ist allerdings, dass Atom im sicheren Abgang ist. Statt in Ländern wie den Niederlanden, Polen und Tschechien über überteuerte Neuprojekte zu diskutieren, oder über noch nicht existierende, neue Kraftwerksentwürfe, ist es jetzt höchste Zeit sich um eine wirklich saubere europäische Klima- und Energiewende zu kümmern." sagte Jan Haverkamp, Kernenergieexperte bei Greenpeace und WISE.
Jan Haverkamp erklärte die Atompolitik in Europa und hinterfragte die These, ob die Atomrenaissance in Europa jetzt wirklich losgehen würde. In amüsanter Weise stellte er die allgemein bekannten Phrasen vor, die von der Atomlobby verbreitet werden und widerlegte sie mit Fakten. Sein Fazit war, dass Atom zu teuer ist. Er bezog sich hier auch auf den Vizepräsidenten der EU-Kommission Frans Timmermans, dass der atomare Abfall sehr, sehr teuer ist. Haverkamp sagte, dass Atom zu wenig liefert. Bei einer Verdopplung der Kapazität weltweit, wären das in 2050 nur weniger als 4% Treibhausgasverringerung. Das heißt mehr als 30 neue Reaktoren müssten jährlich ans Netz gehen, von jetzt bis 2050! Atom liefert zu langsam mit Bauzeiten zwischen 6 und 20 Jahre. Atom hat ein zu großes Risiko und Atom liefert ein unlösbares Atommüllproblem – man kann nur die Risiken verkleinern, aber sie nicht völlig loswerden.
Susanne Bauer, die Moderatorin der Konferenz und Bezirksvorsitzende der Grünen Oberfranken aus Bayreuth, resümierte zur Atommüll-Problematik: "Keiner will ihn haben, den strahlenden Müll, den uns die fehlgeleitete Energiepolitik von CDU/CSU beschert hat, nun gilt es verantwortungsvoll damit umzugehen um existentielle Gefährdungen zu vermeiden. Mit dem Wissen um diese Gefahren und Unwägbarkeiten sowie die unabschätzbaren Kosten ist die weitere Produktion von Atommüll hier wie dort endlich zu beenden - besonders dringend im Fall des maroden Reaktors im tschechischen Temelin: der ist nur wenige Kilometer Luftlinie von uns entfernt, die gefährlichen Vorfälle häufen sich und ein endgültiges Abschalten auch dieses AKWs ist dringend geboten."
Seit 10 Jahren veranstalten die BI STOPPT TEMELIN und die Grünen im Fichtelgebirge die Temelin Konferenzen. 9x schon tagte man mit internationalem Publikum direkt am und im Kernkraftwerk Temelin. Einmal in München. Jetzt wegen dem Coronavirus digital im Internet.