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Ein Volk in Unterdrückung

Plauen - Lhasa. Im Gösselsaal des Weisbachschen Haus an der Bleichstraße erlebten die Besucher am Freitag einen ganz besonderen Abend. Nanne Wienands aus Schwarzenbach an der Saale berichtete von einer Reise, die sie zu Pfingsten zusammen mit Gleichgesinnten von der Tibetinitiative unternommen hatte. Zu jeder Zeit Ihres bebilderten Vortrages machte sie ihre Sympathie für das Volk der Tibeter deutlich. Ein Volk, dass seit mehr als 50 Jahren staatlich unterstützten Mord, Ausrottung, Drangsalierung und Verdrängung durch chinesische Okkupanten ausgesetzt ist. Ein Volk, dass dennoch tief religiöse verzweifelt versucht, seine kulturelle Identität zu erhalten.

Wienands schilderte den schwierigen Start ab Kathmandu, der Hauptstadt Nepals, wo dem Vorsitzenden der Deutschen Tibetinitiative, Wolfgang Grader, grüner Stadtrat in Bamberg, der eigentlich die Reise leiten sollte, keine Einreiseerlaubnis nach Tibet erteilt wurde. Auch Iris Fricke, seine Stellvertreterin, bekam die Erlaubnis nicht. Grund dafür sind mit Sicherheit seine ständigen Aktivitäten, vor allem auch während der Zeit der Olympischen Spiele in Peking. Der Rest der Gruppe durfte schließlich einreisen, jedoch ständig begleitet – und drangsaliert – durch chinesische Aufpasser. Nanne Wienands zeigte sich erschüttert über die Veränderungen, die es seit ihrer ersten Reise vor zwei Jahren im Lande sichtbar gegeben hat. Vom alten Lhasa, der Hauptstadt Tibets, ist lediglich noch der Potala, tibetisches Heiligtum, Kloster und ehemaliger Sitz des Dalai Lama, übrig geblieben. Der Rest der Altstadt wurde abgerissen und musste modernen chinesischen Bauten weichen. In Tibet werden täglich durchschnittlich 1.000 Chinesen angesiedelt, die zunächst in dem 3.700 Meter hoch liegenden Lhasa ankommen. Binnen weniger Jahre wird dadurch die Urbevölkerung im eigenen Land in die Minderheit gebracht. Die seit Jahrtausenden bestehende Nomadenkultur wird absichtlich unterbunden, Yaks, die traditionellen Rinder im Hochland Tibets, den meist bettelarmen Menschen weggenommen und geschlachtet, Landbevölkerung vertrieben und in die neu entstehenden Städte getrieben – verkauft aus „Fortschritt“ – und in Mietwohnungen gezwungen, die für die meisten unbezahlbar sind. Willkürlich fänden Verhaftungen statt, viele Mönche und Nonnen würden in Umerziehungslager gesteckt, oder würden gar nicht erst wiederkehren. Polizisten und Soldaten sind an nahezu jeder Straßenecke zu sehen. Die deutsche Reisegruppe wurde laufend bewacht und konnte nur ganz selten ihren offensichtlichen und den sicher auch unsichtbar vorhandenen Aufpassern entwischen. Gespräche mit der Bevölkerung waren unerwünscht. In den Weiten des tibetischen Hochlandes sind dagegen zumindest noch Reste der alten Kultur erkennbar. Menschen in Tracht, Rinder mitten im Dorf, kleine bewohnte Klöster. Die in der „Kulturrevolution“ der 1960er Jahre zerstörten Klöster sind teilweise von buddhistischen Mönchen wieder aufgebaut worden. Dies geschah auch mit Unterstützung der Chinesen, die in den Klöstern ein wichtiges Instrument für den Tourismus sehen.

„Wovon leben eigentlich die Tibeter?“, wurde Nanne Wienands gefragt. Dies sei nicht erkennbar gewesen. Von den wenige Cent Wert habenden Kräutern und kleinen Tütchen mit duftenden Essenzen könne sie sich keinen gesicherten Lebensunterhalt vorstellen. Der Tourismus mit Ausländern und vor allem Chinesen selbst bringe zweifellos Geld in die Region, wenn er auch beim Potala teils groteske Formen annehme, indem durch die wichtigen Zimmer des Klosters lärmend chinesische Reisegruppen geführt würden. Am Stadtrand von Lhasa und entlang der neuen Schnellstraßen würden derzeit Fabriken aus dem Boden gestampft, um die Bodenschätze und die landwirtschaftlichen Erzeugnisse des Landes verarbeiten bzw. ausbeuten zu können. Die Bilder, die Nanne Wienands zeigte, nahmen die Zuschauer mit in dieses zerrissene Land mit einer wunderschönen Landschaft und dem politischen Unrechtssystem.

In der sich anschließenden Diskussion wurden Vergleiche gezogen zum Umgang mit Minderheiten in der früheren Sowjetunion wie auch mit den Indianern in den USA. Auch dort fanden über Jahrhunderte üble Menschenrechtsverletzungen statt. Letztlich aber haben ja selbst alle Diktaturen schließlich ein Ende gefunden. Der Anstoß zu einer Änderung des Umgangs in der Minderheitenpolitik Chinas müsse aus dem chinesischen Kernvolk kommen, sonst wären kriegerische Auseinandersetzungen unvermeidbar. Einig waren sich alle Teilnehmer darin, dass diesem Volk großes Unrecht geschehe und das Recht auf kulturelle Selbstbestimmung mit Füßen getreten werde. Nanne Wienands beschloss ihren Vortrag mit den Worten des Dalai Lama, die sehr gut seine Haltung in dieser heiklen Situation zeigt: „Wir haben Gäste in unserem Land. Aber wir hätten sie gern selbst eingeladen."

Die Veranstalter des Abends, die Stadtratsfraktion der Plauener Grünen, die seit Jahren den Jahrestag der Okkupation Tibets durch China am 10. März mit einer Hissung der tibetischen Fahne vor dem Theater begleitet, will auch künftig auf diese Weise auf die verheerende Menschenrechtssituation in Tibet hinweisen. Stadtrat Dieter Rappenhöner äußerte die Hoffnung, dass es durch den diesjährigen Einzug der Grünen in weitere Kommunen des Vogtlandes gelinge, noch weiter Gemeinden zu einer Unterstützung zu bewegen.



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